Aber noch einmal der Hintergrund, weshalb und woher der Druck kommt, sich "normgerecht" zu stylen, vor allem für Männer.
Wenn man die Mechanismen versteht, wird es viel einfacher, sich die eigene Freiheit herauszunehmen. Wenn nicht, stolpert man schnell in irgendwelche Fettnäpchen. Peinlichkeiten oder wird gemobbt, weil das eigene Selbstbewusstsein unterminiert wird: es läuft permanent - im eigenen Kopf - eine Begleitmusik, die spätestens seit der Kita eingetrichterte Propaganda, wie man sich verhalten und stylen muss, damit man nicht aus der Kurve fliegt.
Wenn man weiß, was dahintersteckt, dann kann man sie deaktivieren und kann Stück für Stück die eigene Souveränität aufbauen.
georg66 hat geschrieben:
Modetechnisch lassen sich die meisten steuern, und das gilt für Männer mehr, als für Frauen (diese Feststellung gilt genaugenommen nicht für für Mode und Stil, sondern noch mehr für Dinge, die wichtig sind)
Das liegt an zwei Dingen: an den Gesteuerten und den Steuernden.
Die Gesteuerten (also die breite Masse, und insbesondere Teenies usw.) leiden unter einem Mangel an Mut und Selbstbewusstsein. Deshalb sagen sie "Wir fügen uns ein, stylen uns, wie alle anderen / wie der Trend vorgibt" und hoffen im Gegenzug für ihre Unauffälligkeit auch ihr Stück vom Kuchen abzubekommen.
Und um ihr Anrecht zu verstärken, beissen sie alle weg, die sich nicht den Regeln unterwerfen ("was nimmt der / die sich denn da heraus?")
Die, die den ganzen Zirkus steuern, finden das gut, und verteilen Bonbons (an die Braven / Gesteuerten).
Wer steuert?
Früher war das die Kirche, Lehrer, Schule.Militär.
Heute machen das überwiegend die Medien, vornan dabei Hollywood / die Filmindustrie.
Dazu kommen interessierte Branchen: wenns um Haare geht, natürlich die Pflegemittelindustrie. Die Trends (Beispiel: Strähnchen) werden dann so entwickelt und propagiert, dass sie die Kassen klingeln lassen. Blondieren ist perfekt: anschliessend lässt sich bestens Haarkur an die frau bringen.
Wer da nicht mitzieht, macht sich verdächtig: er / sie lässt sich anscheinend nicht recht steuern. Dies ganze Forum ist so gesehen eine subversive Zusammenrottung.
über das neueste Shampoo von Wella oder Schwarzkopf und seine tollen Effekte zu diskutieren, wäre ja völlig in Ordnung. Aber selbstgemachte Haarwaschmittel testen, Tips geben, wie man ohne teure Kuren usw. auskommt, das darf eigentlich nicht sein, das ist Geschäftsschädigung! Das bedroht unser monetarisiertes System.
Wer als Mann keine ordentliche Kurzhaarfrisur trägt, macht sich verdächtig: nicht brav und angepasst zu sein.
Man darf ja ein paar Spielräume nutzen: in der Oberstufe am Gymnasium oder als Student. Aber spätestens danach ist Schluss mit lustig: wer sich die Haare nicht schneiden lässt, bekommt keinen Job oder nur einen schlechten - eben keine Bonbons.
Gleichzeitig sind die, die sich für den Job die Haare schneiden lassen mussten, nun sauer auf die, die das nicht tun, die sich nicht unterworfen haben (früher wurden Gefangenen die Haare abgeschnitten).
Das ist der Punkt: passt man sich an, fügt man sich ein, oder bleibt man unabhängig - und riskiert dafür Prügel einzustecken, von den anderen, die sich unterworfen haben, und denen es nicht passt, wenn andere das nicht auch tun, und damit zeigen, dass sie nur einfach nicht den Mut hatten, selbst auch unabhängig zu bleiben.
Nachdem Langhaar bei Männern inzwischen halbwegs toleriert ist, bleibt hier noch die Unterscheidung zwischen denen, die ihr Langhaar brav, angepasst, z. b.,I im Pferdeschwanz im Nacken tragen, und denen, die unzulässige Varianten, wie hoher Pferdeschanz, Dutt usw. öffentlich präsentieren, und damit die gesellschaftliche Norm stören
Dafür ist dann schon etliches an Mut erforderlich: die graue Masse trägt einen da nicht mehr.
Es gibt einige wenige, die lassen sich nicht steuern, und denen macht man das Leben dann schwer oder versucht sie unter Druck zu setzen. Dabei sind dann in der Regel verspießerte Zeitgenossen, diejenigen, die sich brav den Regeln unterwerfen, behilflich.
Das ist das ganze Spiel. Das ist Jahrtausende alt, auch wenn wir uns damit nun im Jahr 2011 befinden.
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PS: bei den Frauen gab es eine Gegenbewegung in den 70er/80er-Jahren durch den Feminismus. Seitdem können Frauen sich stylen, wie sie wollen: "männlich" oder "feminin", Mit Kurzhaarschnitt und Jeans oder Hochsteckfrisur und Abendkleid.
Trotzdem gibt es unter den Frauen noch einige, die sich engagieren als Blockwarte der Stilpolizei, im Büro, am Arbeitsplatz, in der Schule und anderswo, um die besagten Regeln durchzusetzen und die, die nicht "brav" sind, zu mobben.
Der Lohn dafür liegt (wie bei den erwähnten Spießern) im Machtgewinn und darin, sich zu profilieren, um bei Gelegenheit einen Job als Capo / Aufsichtsperson zu ergattern, und so die eigene Macht noch einmal zu vermehren.