Ich hab mal irgendwo gelesen, daß es sehr aufschlußreich ist, psychologisch gesehen, welches Märchen man besonders liebt, mit wem man sich identifiziert und wen man bewundert.
Und da stand, daß den meisten Männern die Figur der Rapunzel besonders im Gedächtnis geblieben ist.
Mir fälllt bei dem Märchen besonders auf, daß es kein gutes Ende mit den Eltern gibt. Sie machen ihren entsetzlichen Fehler zu Anfang und verschwinden von der Bühne. Wir sind so gewöhnt, daß in Romanen und Filmen solche Fäden vernäht werden, daß das nicht-wieder-Aufnehmen dieses Fadens auffällt.
Im Original hat die Fee übrigens an Rapunzels schwellendem Leib gemerkt, daß da ein Prinz seine Besuche abstattete - die mündlich weitergegeben Märchen stammten aus Spinnstuben, in denen offen über Sexualität gesprochen oder gescherzt wurde. Das hat den Grimms natürlich nicht gepaßt, da sie den Märchen den kindlich-unschuldigen Hauch des Ursprünglichen "zurück"geben wollten. Es ist der berühmteste Eingriff der Herausgeber, diese Schwangerschaft zu tilgen - obwohl Rapunzel ja dann in der Wildnis tatsächlich Kinder gebiert.
Als Kind habe ich mich nicht gefragt, woher diese Kinder kommen.... aber da haben die Grimms vielleicht doch was übersehen.
Jedenfalls ist Rapunzel die "verführerischste" Heldin der Grimms, und ihre Anziehungskraft auf männliche Leser wundert nicht. Es scheint, daß schlichtes, natürliches, langes Haar als urtümlich weiblich empfunden wird (natürlich gibt es auch das Urbild des langhaarigen Mannes a al Simson, aber da bedeutet Haar Kraft) - damit verglichen kommen einem die Versuche, mit Quallenköpfen besser auszusehen, recht hilflos vor....
Aber sie muß sehr unglücklich gewesen sein, als die Fee ihr die Haare, ritsch ratsch, abgeschnitten hat. Gut, daß sie so schnell wachsen bei ihr!
_________________ 1b F 8cm (II) 79 cm (18.12.2021) Sante Terra auf Grau
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