Wie ich schon oft versucht habe zu erklären, besitzen Haare keinen pH-Wert, da es sich hauptsächlich um unlösliches Proteinmaterial handelt. Was man allenfalls messen könnte, wären exogene, lösliche Bestandteile wie Fettsäuren, zum Beispiel aus dem Sebum, oder organische Substanzen aus dem Schweiß.
Silberelfe gibt zwar entsprechende Literaturwerte an, die auf den ungefähren isoionischen Punkt der Haare zutreffen, zieht jedoch die falschen Schlüsse aus den vorliegenden Angaben.
Die zitierten Werte haben nämlich einen anderen Aussagewert.
Die oft und auch wieder hier zitierten "pH-Werte" für Haare sind eigentlich der isoionische Punkt (zwischen pH 5-6) und der isoelektrische Punkt (ca. pH 3,6) der Haare. Es sind keine pH-Werte der Haarsubstanz, sondern von außen eingestellte pH-Werte, die einen Ladungsausgleich im und auf dem Haar bewirken.
Eben dieser Ladungsausgleich ist von Bedeutung.Wie wirkt sich dieser Ladungsausgleich aus?Proteine enthalten unter anderem auch Aminosäuren, die eine negative (saure Aminosäuren) oder eine positive Ladung (basische Aminosäuren) an der Seitengruppe enthalten. In der Gesamtheit enthält das Proteinmaterial einer Haarfaser überwiegend saure, also negativ geladene Aminosäuren. Die Aminosäure Glutaminsäure liegt größtenteils als Glutamat-Anion, Asparaginsäure als Aspartat-Anion vor. Hinzu kommt aus Cystein/Cystin entstandene Cysteinsäure, die als Sulfonat-Anion vorliegt.
Aus diesem Grund tragen Haare in einem breiten pH-Bereich überwiegend negative Ladungen. Das ist auch der Grund, weshalb kationische Stoffe auf die Haare sehr gut aufziehen können und dort durch - vorsicht Werbesprech - "Magneteffekte" haften bleiben; insbesondere auf geschädigten Haaren, da hier weitaus mehr negative Ladungen vorliegen.
Man kann den Überschuss negativer Ladungen ausgleichen, indem man die negativen Ladungen mittels Säuren (=Protonen= H+-Teilchen) neutralisiert, während man im umgekehrten Fall mit Laugen (OH-) die Anzahl negativer Ladungen durch Deprotonierung der Säuregruppen bestimmter Aminosäuren erhöht.
Wenn man nun die Ladungen in der Haarfaser entsprechend ausgleichen möchte, sodass gleich viele negative wie positive Ladungen in der Gesamtheit der Haarfaser vorliegen, muss man also eine bestimmte Menge an Säureteilchen zugeben. Der ausgeglichene Zustand für ungeschädigte Haare ist ca zwischen pH 5-6 erreicht. Das ist definitionsgemäß der
isoionische Punkt - eine von außen veranlasste pH-Werteinstellung, die einen Ladungsausgleich in der Haarfaser bewirkt.
Am isoionischen Punkt, also sobald man einen pH-Wert einstellt, an dem die Ladungen ausgeglichen sind, hat die Haarfaser die höchste Stabilität und die geringste Quellung.
Letztlich ist die Erhöhung der Anzahl weiterer polarer Seitenguppen, also in diesem Fall negativer Seitengruppen, im alkalischen Milieu dafür verantwortlich, dass die Haare mit Alkalien (z.B. auch Seife) stärker aufquellen.
Ein pH-Wert von ca. 3,6 bewirkt einen entsprechenden Ladungsausgleich auf der Haaroberfläche. Das ist definitionsgemäß der
isoelektrische Punkt der Haare.
Durch Blondierungen und ähnliche chemische Schädigungen werden Aminosäureseitengruppen zerstört und somit verändert und es entstehen noch mehr saure Seitengruppen mit negativen Ladungen, zum Beispiel zusätzliche Cysteinsäureseitengruppen (=Sulfonsäure bzw. Sulfonat-Anion). Durch die zusätzlich entstehenen negativen Ladungen dieser Seitenguppen sind Haare auch schon bei moderaten pH-Werten (pH 7) und erst recht im alkalischen Milieu einer noch stärkeren Quellung unterworfen.
Außerdem werden in geschädigten Haaren auch mehr Säureteilchen benötigt, demnach niedrigere pH-Werte, um die vermehrte Zahl negativer Ladungen zu neutralisieren und einen Ladungsausgleich zu erreichen. Bei geschädigten Haaren sind daher sowohl der isoionische als auch der isoelektrische Punkt noch etwas niedriger.
Hier wird das nochmal in anderen Worten erklärt (hier geht es an sich um Haarfärbemittel:
https://books.google.de/books?id=F9yeAw ... &q&f=falseAus Eisenbrand, G., and P. Schreier. "RÖMPP Lexikon‐Lebensmittelchemie, Vol. 2." (2006), S. 221 f.
Zitat:
Ob und wie tief Farbstoffe in das Haar eindringen können, hängt von der Maschengröße des dreidimensionalen Haar-Keratin-Netzwerkes und den elektrostatischen Ladungen, vor allem an der Haaroberfläche ab. Art und Menge dieser Ladungen sind vom pH-Wert abhängig (...). Hilfreich bei der Einteilung der Ladungscharakteristik der Haarfaser sind dabei der sogenannte isoelektrische und der isoionische Punkt das Haarkeratins. Bei pH-Werten um 3,6 befindet sich die Haaroberfläche in einem ausgeglichenen Zustand bezüglich negativer und positiver Ladungen (isoelektrischer Punkt). In einem stärker sauren Milieu überwiegen positive Ladungen, während die anionischen Ladungen durch Protonierung zunehmend neutralisiert werden. Oberhalb des isoelektrischen Punktes nehmen dagegen die negativen Ladungen mehr und mehr zu. Bei pH-Werten um 5,8 überwiegt die negative Ladung an der Haaroberfläche deutlich. Betrachtet man jedoch die komplette Faser, findet man wiederum einen Zustand des Ladungsausgleich. Dieser Wert wird deshalb als isoionischer Punkt bezeichnet. Oberhalb dieses Wertes steigt mit zunehmender Alkalität der Umgebung die negative Ladungsdichte an, bei gleichzeitiger Verringerung der Kationen-Anzahl durch Deprotonierung von Ammonium-Gruppen. Bezüglich des sogenannten Ausgleichverhaltens von Farbstoffen ist weiterhin bedeutsam, dass die Anionen-Dichte an der Haaroberfläche vom Ansatz an der Kopfhaut bis zur Haarspitze kontinuierlich zunimmt. Gründe dafür sind zum einen die steten Umwelteinflüsse von Sonnenlicht, Feuchte und Luftsauerstoff, andererseits Einflüsse vor allem der oxidativen Haarbehandlungsmethoden. Je länger das Keratin-Gerüst diesen Einflüssen ausgesetzt ist, umso mehr werden Sulfid-Funktionen der Aminosäure Cystein beziehungsweise Cystin vor allem im Bereich der Haaroberfläche zu Sulfonsäuren oxidiert. Es entsteht Cysteinsäure, die in Form ihrer Sulfonat-Anionen vorliegt.
Um auf Hettys eigentliche Frage zurückzukommen.
Hetty hat geschrieben:
Auf welchen ph- Wert sollen die Haare eigentlich abgesäuert werden, gibts dafür irgendwelche (wissenschaftlichen?) Erkenntnisse?
pH-Werte zwischen 5-6 sind gut, da in diesem Bereich der isoionische Punkt (Ladungsausgleich) liegt. Ganz genau kann man den Punkt ohne eine Analyse seiner Haare nicht vorhersagen. Bei geschädigten Haaren ist der dieser Punkt tendenziell etwas niedriger. Je geschädigter, desto niedriger.
Wenn man den pH-Wert unter dem individuellen isoionischen Punkt einstellt, zwischen pH 4 und 5 vielleicht, überwiegen lediglich anstatt negativer Ladungen nun positive Ladungen an den Aminosäureseitengruppen. Das ist allerdings nicht weiter schlimm.
Bei extrem niedrigen pH-Werten (pH 1-3) kommt es abermals zu einer erhöhten Quellbarkeit durch eine zunehmende Anzahl positiver Ladungen. Die Quellung ist allerdings geringer ist als bei neutralen bis alkalischen pH-Werten.